Über Freiheit und Verantwortung.
Im Netz gibt es diese schöne, weil knappe aber essentielle Zusammenfassung zum Religionsvergleich, die ich hier nur ausschnittsweise zitiere:
„Shit happens.“ – Taoism
„Can you hear the sound of shit happening?“ – Zen
„Why does shit always happen to me?“ – Judaism
„If I work harder, shit won´t happen to me!“ Protestantism
„If shit happens, I deserve it“ Catholozism
…
Achtung- ich mache hier ein SEHR dickes Fass auf …
„Das Sein bestimmt das Bewusstsein!“ sagte Karl Marx. Ist ja wohl so.
Oder ist es umgekehrt, wie viele Erfolgsgurus sagen, die uns weismachen wollen: „Das Bewusstsein bestimmt das sein!“? Ich muss doch nur mein Bewusstsein ändern, dann …
Die Netzgemeinde steht eindeutig auf der Seite von Karl Marx, wie man HIER sieht.
Für einen großen Theoretiker, wie Karl Marx es war, kann dasselbe gelten: Sein Sein hat sicher auch SEIN Bewusstsein geprägt. Somit dürften er und sein Theoriegebäude auch „Kind seiner Zeit“ gewesen sein.
Vom „geprägten Sein“ zum „Opfer seiner Umstände“, von dort zum „Opfer- Abo“ ist es nur ein kurzer Weg.
Um so länger ist eben auch: Der Weg von dort zu einem freien, selbstbestimmten Leben!
Neben Karl Marx war Sigmund Freud sicher einer der prägendsten Theoretiker des 20 Jahrhunderts. Besonders prägend für mich war sein Satz:
„Dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht vorgesehen.“ Die Vorverurteilung seiner Patienten, wie der Menschheit insgesamt (!) zu einem elendigen Opfer- Dasein ist in diesem Wort mit Händen zu greifen. (Nur gut, dass wir heute so viele Psychoanalytiker haben,..!)
Die steile These: kann es sein, dass Freud und Marx als wichtigste Vor- Denker des 20. Jahrhunderts die Eigenverantwortung für das eigene Leben unterminiert haben? Dass sie darin „Kinder ihrer Zeit“, ihrer Umgebung UND, doppelt steile These: Ihrer Religion waren?
Eine freudianisch- links geprägte Gesellschaft würde daher (unbewusst und unwissend, sicher!) der früh- religiösen, auch Heideggers „Geworfenheit des Seins“ zustimmen und sie perpetuieren. Die Menschen, wie schon in früh- religiösen Zeiten, vor Kant also) Opfer des Schicksals, der Götter, die jetzt „die Gesellschaft“ genannt werden.
Und damit beraubt sie sich, quasi- religiös, jeder einelne, der dem zustimmt, seiner Freiheit des Handelns als Unmündiger und Unfähiger selbst. Das geschieht ganz genau so, wie sie als Atheisten („Religion ist Opium fürs Volk!“ – Mao) eben diese geistige Unfreiheit verurteilen.
Denn da ist sie wieder: „Die Angst vor der Freiheit.“
Also- wie denn nun- sind wir etwa NICHT geboren in eine Familie, sozio- kulturelle Struktur, die uns.. oder haben wir NICHT die Wahl, aufzusteigen, vom Tellerwäscher zum Millionär, zu lieben oder eben zu verlassen,.. sind wir Hammer oder Nagel- oder Amboss..
Wer von zwei Alternativen nur eine wählen kann ist ein Idiot. Zum Beispiel:
Leben wir um zu arbeiten –
oder arbeiten wir um zu Leben?
Wer hier nur zwei Möglichkeiten sieht, muss weiter lernen.
Es ist nicht nur das eine oder das andere,
nicht nur beides oder keines von beiden
es kann auch ein ganz anderes sein:
Wir leben, um zu lieben.
Wo wir nicht lieben können, da leben wir, um das zu lernen.
Uns selbst, unseren nächsten, dann lieben wir auch unsere Arbeit,
dann stimmen alle Alternativen.
Alle fünf.
Wenn also die Frage im Raum steht- bin ich Gestalter meines Schicksals- oder dessen Opfer?- dann bieten sich ja mindestens 4 Möglichkeiten an: Das Eine, das Andere, keines von beiden- oder: Beides.
Das als Kind „in die elterlichen Verhältnisse“ geworfene Kleinkind hat kaum Gestaltungsmöglichkeiten- aber wie sieht es mit mir als Erwachsenem aus? Sicher schlagen die in der Kindheit gelernten Verhaltensmuster immer wieder massiv in Berufs- und Eheleben auf meinen „Erfolg“ und meine Fähigkeit zum Glücklichsein durch- aber bin ich denn so unfrei, in dieser Opfersituation bleiben zu müssen? WILL ich das?
Wofür ich mit diesem Artikel plädiere, ist eben die Freiheit, gepaart mit der Verantwortung, das unbewusst übernommene Dogma der eigenen Geworfenheit in die gesellschaftlichen Umstände in Frage zu stellen und sich mit Mut der Möglichkeit zu stellen, noch MEHR Verantwortung
für das eigene Leben zu übernehmen, es selbst- bewusst zu gestalten, um so die Freiheit zu erlangen, hemmungslos glücklich zu sein.
Denn die Freiheit von „etwas“ hält mich (dialektisch) gebunden: Solange ich meine Gedanken anstrenge, um frei – von was auch immer – zu sein, ist mein Geist daran gebunden, also eben nicht genau davon frei. Aus der Falle komme ich heraus, wenn ich bereit bin, meine Freiheit als Pflicht zu etwas, Verantwortung für etwas zu übernehmen.
Und dabei beginne ich bei der Verantwortung für – mich selbst. Wo beginnt diese Verantwortung für mich selbst, wie weit geht sie, wo hört sie auf?
Der Anfang ist so klar wie streitig: „Man kann bei der Auswahl seiner Eltern gar nicht vorsichtig genug sein!“ (Quelle unbekannt). Wer die Möglichkeit in Erwägung zieht, die eigenen Eltern sorgfältig ausgesucht zu haben, und sei es nur auf humorige Art, um die Schwierigkeiten aus deren Erziehung zur Gestaltung des eigenen Lebens in Freiheit zu meistern und nutzen zu lernen, der gewinnt bei der Betrachtung der eigenen Entwicklung die Möglichkeit, die Problematik der eigenen Erziehung als selbst gewählte Entwicklungsaufgabe zu begreifen:
Der Sinn meines Lebens ist es, die Aufgaben, die (Gesellschaft und) Eltern mir stellen, zu meistern. Mehr nicht.
Was für eine wunderbare Freiheit, endlich hundertprozentig „JA!“ zu sagen zur eigenen Biografie, zu den Eltern, zu seinem Leben, den (gelösten und ungelösten) Problemen, zu sich selbst und der eigenen Lebens- und Lernaufgabe!
Anmerkungen:
Was die Anhänger von K.Marx sehr gerne für sich selber übernehmen (Opfer der Umstände zu sein), darf aber nur begrenzt auf die Vertreter der eigenen Zunft angewendet werden. Als der amerikanische Historiker Ferguson J.M. Keynes angriff, seine Thesen hingen zusammen mit dessen Homosexualität, brach über Ferguson ein Shitstorm herein, (hier in der taz, im Spiegel zitiert)