Unkraut jäten, faule Äste absägen, Geschwüre herausschneiden, Bilder der Ex- Geliebten einfach in die Tonne werfen, ein altes, ehemals heiß geliebtes Hemd entsorgen, einfach weil es „durch“ ist, alten Lack abschleifen, Müll runter tragen (bevor er überquillt!), überhaupt, wegwerfen, was man ein Jahr lang nicht mehr angefasst hat, dem alten, kranken Hund die Gnadenspritze setzen lassen um ihm nicht aus eigener Feigheit vor dem Tod die Qual zuzumuten, das sanfte, aber entschieden und kraftvolle: „Nein“ zu dem, was im Leben eines integren Mannes nichts (mehr) zu suchen hat: „Die Fähigkeit, Nein zu sagen, ist die Geburt der Individualität.“ (Rene Arpad Spitz)
Wichtig ist, hierbei zu unterscheiden zwischen dosierter Abgrenzung, angemessener Ablehnung und Verachtung. Was nicht zu mir passt, weil ich „andere Vorstellungen“ von meinem Leben habe, kann ich freiweg ablehnen, ohne mir Verachtung vorwerfen lassen zu müssen. Man kann Abgrenzung dosieren, je nachdem, wie aggressiv das andere mir gegenüber auftritt. Das bin ich – jenes bin ich nicht, das möchte ich bitte nicht, jedenfalls nicht, so lange ich hier bin, oder „es tut mir leid, das kann ich nicht akzeptieren, nein – da ist die Tür … “
Sich dem Leben, dem Weiblichen, der eigenen Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit, entziehen durch ein „Nein.“ Sich abzugrenzen, ist das diametrale Gegenteil zum allseits propagierten „Alles kann, nix muss!“, zur Beliebigkeit dessen, der aus Angst vor Ablehnung diese nicht zu zeigen vermag. Das Weichei verbiegt sich aus mangelndem Selbstwert, denn wenn seine Ablehnung wiederum zu Ablehnung des Gegenübers führen würde, würde er ja nicht mehr geliebt! „Der homo clausus nimmt die Welt nicht mehr unmittelbar wahr, sondern fühlt sich von ihr wie durch eine ’unsichtbare Mauer’ getrennt. Er löst seine Bindung an die Welt, um keine Trennungsangst zu erleben.“1 Es ist ein Paradoxon: Zwar ist er nicht fähig, seine Gefühle zu zeigen, um nicht abgelehnt zu werden, schafft es gerade aber deswegen nicht, Bindungen aufzubauen.
Dieses „Nein!“ ist aber in seiner unterscheidenden, abgrenzenden und trennenden Absicht gerade das Symbol der Autonomie und damit der Stärke, die eine emotional schwächere Person braucht, um sich sicherer zu fühlen. Die Fähigkeit und der Wille, um seiner selbst willen, (für die eigenen Werte, Ziele, Persönlichkeit, notfalls allein, aber eben) zu sich selbst, möglicherweise gegen andere zu stehen, das ist Ausdruck der Stärke: „DAS bin ich, das will ich, und jenes – bitte nicht, nein, nicht hier!“
Ich habe die Freiheit, dies zu tun, wann immer ich will. Ein Kind zeigt uns mit seinem entschiedenen „Nein – ich putze mir nicht die Zähne!“, dass es in diesem NEIN! die Macht hat.
Das betrifft auch den Umgang mit der weiblichen Fülle, der Vielfalt, dem Chaos, mit dem „das Weibliche“ (die Natur, die Kultur, die Wirtschaft, die Umstände des Lebens, die Kinder, …) uns begegnet. „Wer nach allen Seiten hin offen ist, der kann nicht ganz dicht sein!“ (Kurt Tucholsky) Dem beliebigen, allgegenwärtigen „alles kann, nichts muss“ stellt der Mann sein „Sehr schön. DAS darf rein, jenes bleibt bitte draußen“ entgegen. Die Fähigkeit zur Abgrenzung ist also spezifisch männlich. Sie ist das Männliche konstituierend dergestalt, dass in der Abgrenzung vom „Anderen“ das ICH erst entstehen kann. Hier wirkt das Nein, die Ablehnung identitäts- stiftend, mit Lao-Tse gesprochen:
„Die fünferlei Farben machen der Menschen Augen blind.
Die fünferlei Töne machen der Menschen Ohren taub.
Die fünferlei Würzen machen der Menschen Gaumen schal.
Rennen und jagen machen der Menschen Herzen toll.
Seltene Güter machen der Menschen Wandel wirr.
Darum wirkt der Berufene für den Leib und nicht fürs Auge.
Er entfernt das andere und nimmt dieses.“
(Tao te King: Vers 12)
Das Schöne dabei: Mit wachsender Autonomie brauche ich das „Nein“ auch nicht mehr zu begründen. Ein „Ich will das nicht“ ist auch grundlos – wahr.