Neues Buch, Der Postheroische Held Ulrich Bröckling
Klappentext: „Heldenfiguren gelten heute als suspekt: zu viel Pathos, zu viel Männlichkeitsausdünstungen, zu viel moralischer Zeigefinger. Wir leben, heißt es, in postheroischen Zeiten. Gleichzeitig hat sich die Faszination von Heldengeschichten nicht erschöpft, ja, der Fragwürdigkeit heroischer Vorbilder steht ein schier unstillbarer Heldenhunger gegenüber, der reichlich bedient wird. Lebensretter werden ebenso heroisiert wie Klimaaktivistinnen und Whistleblower, Superhelden bevölkern Filme und Computerspiele, und der Spitzensport liefert kontinuierlich heroisierbares Personal. Mit der globalen Konjunktur populistischer Führergestalten kehren schließlich Heldendarsteller auch auf die politische Bühne zurück. Ulrich Bröckling nimmt diese Gleichzeitigkeit heroischer und postheroischer Leitbilder zum Anlass, den Platz des Heroischen in der Gegenwartsgesellschaft auszuloten. Dazu zeichnet er die Reflexionsgeschichte des
Die weiteren Rezensionen – ein Chor weiterer Abgesänge auf den Helden.
M. Klonowski hatte es vielleicht als erster entdeckt, konstatiert: Der Held – ein Nachruf.
Nun ist er also tot, der Held. Die letzte Strophe des Abgesangs wurde intoniert auf der Domplatte 2015 in Köln. Der postheroische Mann stand daneben (im) Abseits, medial, und schwieg, oder er war betroffen, irgendwie – am liebsten politisch korrekt, das heißt für Männer: unhörbar, unsichtbar. Vernichtet.
Mann muß als Mann das Dilemma des Helden nicht kennen, das da heißt: „Schaffe Katastrophen, gleich welcher Art (Beziehung, Beruf, Gesundheit…) damit Du Dich als Held überhaupt erleben, spüren, LEBEN kannst..!“, um die Ambivalenz zu ahnen, die im Helden steckt: „Was ein dämlicher Chaot!“
Aber es ist durchaus hilfreich.
Denn es gibt einfach keine Schicksalsschläge mehr, soziale oder Natur- Katastrophen, im Großen wie im Kleinen, die nicht mittels Vollkasko- Versicherung abgefedert werden können. Der Held-heute ist das Traktor- oder Truck- fahrende Vollweib, die alleinerziehende UND berufstätige Mutter, die Krankenschwester im 2- Schichtbetrieb.
Er, der Held, hat sich überlebt an vollautomatisierten Fertigungsstraßen, in Meetings, powerpoint- Präsentationen, oder als Hermes- Bote. Sie mögen den Job so gut machen, wie sie können – eine Frau KANN es auch.
Im Zweifel: besser. Das zu behaupten ist mainstream- mäßiges Dogma: „angesagt“. Nicht zu hinterfragen.
Aus dieser Position ist es vielleicht sogar richtig, vom „post- heroischen Mann“ zu sprechen.
Roger Willemsen hatte den Abgesang auf den Helden fortgesetzt: „entblößte in seinem Artikel „Männer“1 wohl ungewollt seine von ihm innerlich abgelehnte Schattenseite, den Helden. „Im Augenblick des Heldentums sind Helden mit ihrem Handeln identisch. Ihre Besessenheit ist ihre Fähigkeit, die ganze Person hinter ihre Sache zu bringen. Diese bewundernswürdige Begabung, schlicht zu werden, fehlt den Zweiflern, den Besitzern gemischter Gefühle“ [Hervorhebung d.d.Verf.].
Was Willemsen hier beschreibt, ist essentiell für den „Guten Mann“. Zum einen spiegelt sich hier eine kaum verhohlene Verachtung für den Mann, der als „Held“ fokussiert, konzentriert ist. Er nennt ihn auch „schlicht“ und setzt damit den „Nachruf auf den Helden“ fort, wie ihn Michael Klonovski eindrucksvoll beschrieben hat. Wer Willemsen einmal sprechen gehört hat, seinen ondulierten Sprachstil aushalten musste in der selbstgefälligen Schnörkelei, der ahnt, dass Willemsen in diesen Sätzen sich selbst anprangert. Ein Mann – ein Wort; ein Willemsen – ein Wörterbuch.
Was Willemsen „schlicht werden“ nennt, ist die Erfahrung der doppelten Rücksichtslosigkeit des „Helden“: Zum einen gegenüber seinen eigenen „gemischten Gefühlen“, und zum anderen gegenüber den „Zweiflern“. Ein „Guter Mann“ im Sinne eines „wahren Helden“ geht aber weder über seine eigenen, noch über die Gefühle der anderen hinweg. Er ignoriert seine Ängste nicht, er bügelt sie nicht nieder, sondern er achtet und nutzt sie zur Verstärkung seiner Aufmerksamkeit, wie er auch die Gefühle seiner Mitmenschen achtet. UND er ist entschlossen. Mit seinen Ängsten stellt er sich hinter seine Sache und verfolgt sie. Im Unterschied zum „jungen Helden“, der sagt: „Ich kann alles, was ich tun will!“, beschreibt Helmut Remmler2 den demütigen Helden im Märchen „Der Königssohn, der sich vor nichts fürchtet“, der spricht: „Ich fürchte mich nicht, ich will´s mit Gottes Hilfe versuchen.“
1 Willemsen, Roger: „Männer“ in Süddeutsche Zeitung vom 31.10./1.11.2008 Nr. 254
2 Remmler, Helmut: a.a.O. S.111: „Furchtlosigkeit im Wandel“
Der postheroische Mann ist von dieser Haltung Lichtjahre entfernt. Er weiß nicht, was er will- aber das mit ganzer Kraft; Er will vor allem eines NICHT: zum Helden fähig sein.
Und mit ihm stirbt nicht nur der Held, es stirbt der Gute Mann- und macht Platz dem Barbaren.