Mehr Yang als Jin

Gedanken und Plädoyer für den Mut zur Polarität

Wenn wir das Jin/Yang Symbol betrachten, sehen wir sechs Felder:

1. Der Kreis als Ganzes, geteilt durch eine geschwungene Linie mit zwei Feldern.
2. Ein schwarzes Feld
3. Ein weißes Feld
4. Ein schwarzer Kreis im weißen Feld (Anima)
5. Ein weißer Kreis im schwarzen Feld. (Animus)
6. Das Umfeld ausserhalb des Kreises: Die Betrachter
7. Synthese: Integration der Anima UND Stärkung des Männlichen

1. Der Kreis als Symbol sich wandelnder Ganzheit
Das männliche und das weibliche (und kein drittes!) beziehen sich auf einander, wirken auf einander ein, was symbolisiert wird durch die geschwungene Linie.

Sie bedingen und ergänzen einander und bilden somit Einheit und Ganzheit.


2. das Schwarze Feld

das Schwarze Feld steht für das Yin, das Weibliche, Dunkle, Empfangende

Was ist die Essenz, den Kern von Weiblichkeit: weibliche Identität. Was macht Weiblichkeit essenziell aus? Was macht sie einzigartig im Unterschied zur männlichen? Ich widerspreche Simone de Beauvoir, wonach Frauen als „Frau gemacht“ seien.

In der De“Mut“ dessen, anzuerkennen, was von der Natur gegeben „IST“, hat jede (!) Frau die Chance, ihre Weiblichkeit zu entdecken, daraus (!) Selbst- Wert zu entfalten und darin Be-Friedigung zu finden.

Nein, Frauen, in ihrer Weiblichkeit selbst-BEWUSSTE Frauen haben eine Essenz unabhängig von der männlichen und eine eigene üppige Qualität: David Deida hat den Begriff des weiblichen sehr, sehr weit gefasst. Für ihn ist das Weibliche das Leben schlechthin, die (passive Hingabe an die) Natur, das Universum, das Körperliche, Licht und vor allem Liebe. Titel seines Buches an die Frauen ist entsprechend: Du bist Liebe

Mit dem Empfangen des männlichen Samens (seiner körperlichen “Essenz“) und der Befruchtung des Eis sind Schwangerschaft und Gebären die einzigartige Qualität des Weiblichen. (Und darin liegt NICHTS von Männern „Gemachtes“ vs. S.de B.!)

So weit wie David Deida den Begriff des weiblichen fasst, nämlich als das Leben schlechthin, entsteht daraus eine absolut liebens-würdige Weite und Tiefe aller Dimensionen des Weiblichen: dazu zählen nicht nur die Natur, die Kultur (Musik, Malerei, Tanz, Mode, Architektur, das Schöpferische darin) auch die Entwicklung, die Welt der Gefühle, des „Unbewussten“, Gedanken um Vergangenheit und Zukunft.

Wie viel mehr, wie viel kraftvoller das Weibliche ist, zeigt sich in Deidas Definition essenzieller Männlichkeit:

3. Yang – das helle Feld- Aspekte von Männlichkeit

Deida polarisiert auch die Männlichkeit: Für ihn ist die männliche Haltung, wie im ZEN, die “absolut unberührte Gegenwärtigkeit (Präsenz) im Bewußtsein des Todes”.
Die klassischen Erklärungen des Yang sind weiter gefasst und umfassen das Licht, die Helligkeit und Wärme. Während zur Essenz des Yin auch das Empfangen, das Zurückweichen und Dulden zählt, gehören zum männlichen Yang auch das Eindringen und, wenn ich Deida und die klassischen Erläuterungen zusammenführe, …

Aggression, das Nichts und der Tod
Das Verb der lateinischen Aggression ist das „agredere“, das sich hinwenden zu, das auf etwas zugehen. Der Sinn des lateinischen „auf etwas zugehen“, ist wesentlich neutraler und nicht so negativ behaftet, wie die im deutschen verwendete Aggression mit dem Hintergrund des rücksichtslos Zerstörenden. Im männlichen „auf etwas zugehen“ liegt, auch im Grenzen (des Denkens, der Erkenntnis) verletzenden Forscher, dem Entdecker (Seefahrer), dem Wissenschaftler, dem Künstler, der Tabus bricht und so Neues erschafft.
In der indischen Mythologie repräsentiert der männliche Shiva nicht nur das Schöpferische, sondern in seinem Tanz im Feuerreif eben AUCH das Zerstörende – in der gleichen Wertigkeit (!) wie das Schöpferische. In der wirtschaftswissenschaftlichen Geschichte nannte Schumpeter den Unternehmer- den “schöpferischen Zerstörer”.

Todes- Bewusst- Sein und Präsenz

Im ZEN, in Meditation, Kunst und Lebensstil des Zen konkretisiert sich das Ziel: LEERE. Das stundenlang, Tage oder wochenlang sitzen vor der weißen Wand, in der Stille, im Schweigen, im teilnahmelosen Betrachten der vorbeiziehenden Gedanken konkretisiert sich das Bewusstsein um die Leere und dem Tod: pure Yang- “Energie”. Dazu passt, dass Zenklöster hauptsächlich von Männern besucht werden.

In dieser Hinwendung an das Nichts, der teilnahmslosen Betrachtung seiner kommenden und weiterziehenden Gedanken, konkretisiert der Mönch seine Absichtslosigkeit, seine Leere, das krasse Gegenteil der weiblichen Fülle.

Daraus entsteht die wachsende Präsenz der Erkenntnis, das Bewusstsein, dass das Leben endlich ist – buchstäblich auch jeden Moment zu Ende sein kann. Das lässt sich sehr konkret umsetzen
mit einer Frage, die uns Männer sofort in die Präsenz bringt:

Wenn du morgen sterben müsstest, was würdest du dann heute noch tun?


4. und 5. Die Gegenpole in den essenziellen Flächen

In den traditionellen Jin/ Yang Symbolen sind die Flächen der gegenseitigen Anteile deutlich kleiner, als die jeweilige Grundfläche von Jin und Yang. Es sind eben AN-teile, die nicht gleichgewichtig sind.
Beachten wir also die Proportionen – und das vernachlässigen die meisten Apologeten der neuen Männlichkeit!
Für viele Männer und Männer- Weiterbildner (Ausnahme: Björn Leimbach) ist die Entwicklung der weiblichen Anteile im Mann das wichtigste. Es geht für sie darum, die weibliche Seite in sich und in uns Männern zu spüren, alles, was mit Emotionen, dem tiefen Fühlen der Weichheit, allen Aspekten von Weiblichkeit in uns zu tun hat, zu erkennen und auszuweiten.
Dazu zählen beispielsweise (von hier):

  • Die Kunst des Zuhörens mit Interesse und Mitgefühl üben.
  • Die leidenschaftliche Seite durch romantische Ausdrucksweise neu zu entdecken.
  • Sich um etwas zu kümmern oder es hegen.
  • Zuvorkommenheit und Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse anderer üben.
  • Kreatives zum Ausdruck bringen der inneren Anima, z.B. durch Musik, Kunst, Skulptur, Poesie, Tanz.
  • Achtsamkeit, Meditation und andere Wege üben, um mit deinen inneren Gemütsbewegungen in Kontakt zu kommen und sie zu verstehen.
“Symbolbild“.


Das geschieht auch dann, wenn sie aus falsch verstandener Absicht “ganzheitlicher Mensch” zu werden, diese Anteile nicht kennen lernen, sondern einfach nur die Rollen zu tauschen versuchen.

Wie wirken Anima beim Mann und wie wirkt der Animus bei der Frau?

Die beiden “Instanzen” Anima und Animus wirken dann destruktiv, wenn Mann oder Frau sich ihrer nicht bewusst sind, sie ignorieren oder gar verdrängen. Daher möchte ich beide Gegenpole hier skizzieren:

4. Der schwarze Gegenpol im hellen Feld – ANIMUS

Wie wirkt es bei einem Mann aus, der sich seiner Anima nicht bewusst ist?Niemand ist den Frauen gegenüber arroganter, aggressiver oder verächtlicher als ein in seiner Männlichkeit verunsicherter Mann.” Simone de Beauvoir. Und DA hatte sie recht!

Warum? Antwort bei C.G. Jung: “verliert also ein Mann den Kontakt zu seiner Anima, verliert er damit „den Zusammenhang mit dem kompensierenden Unbewussten überhaupt … In einem derartigen Falle pflegt das Unbewußte Emotionen unverhältnismäßiger Natur zu produzieren, wie Gereiztheit, Unbeherrschtheit, Überheblichkeit, Minderwertigkeitsgefühle, Launen, Depressionen, Zornausbrüche und dergleichen“. Das sind die “Qualitäten” von Tyrannen!
Wie ein Mann seine Anima (be-)leben kann, ist oben und hier ausführlich dargestellt.

Ein Mann, der sich seiner Anima nicht bewusst ist, kann nicht wirklich selbstsicher und damit erwachsen werden. Warum nicht?
Er bleibt wie ein kleiner Junge seinen “Launen” ausgeliefert. Den Unterschied erklärte mir en passant ein schwäbischer Vater, der zu seinem Sohn sagte: “Komm, wir räumen die Garage auf!” Der Sohn: “och Papa, ich hab keine Lust.” – “Denn machschst halt ohne Luscht!”

Wer in seinen Launen gefangen ist und sie nicht im Griff hat, wird nicht zum demütigen König, sondern bleibt ein launiger Tyrann. Was macht den Unterschied?
Eine kleine metaphorische Geschichte:
Ein weiser König hatte Gericht zu halten über … was auch immer. Nachdem beide streitigen Parteien ihre Positionen dargelegt hatten, schlug er mit dem Zepter auf die Thronlehne und begann zu sprechen, mit scharfer, deutlicher Stimme: “Nachdem wir nun beide Seiten gehört haben,…”

Da legte seine Frau, die Königin an seiner Seite ihre Hand auf seinen Unterarm. Er stockte, schaute sie an. Sie wandte sich zu ihm, er legte den Kopf in ihre Richtung, sie sprach in sein Ohr, er hörte zu …

Dann sah er sie an, nickte kurz, hielt einen langen Moment inne – und sprach dann erneut – mit weicherer Stimme: “Nachdem wir nun beide Seiten gehört haben,..” Sprach das Urteil
und alle Seiten waren zuFrieden.

Wie ein Mann konkret seine Anima (be-)leben kann ist oben und hier ausführlich dargestellt.

5. Der weiße Gegenpol im schwarzen Feld – Animus in der Frau

Auch Frauen tragen verstärkt männliche Anteile in sich. Gerade durch dem Feminismus wurde nicht das Weibliche in der Frau gestärkt oder auch nur von Missachtung befreit- sondern der Animus, ihr männlicher Anteil in ihnen gestärkt, und das auch noch in den unreflektierten Schattenseiten des Männlichen!
Das sind Rücksichtslosigkeit, Egoismus, Materialismus, Karrieregeilheit, Gefühlsarmut und -kälte.
Wir sehen daran: auch bei der Frau wirkt die Unbewusstheit des Animus zerstörerisch, C.G. Jung im Original: “Der Animus ist wie eine Versammlung von Vätern und sonstigen Autoritäten, die ex cathedra unanfechtbare, ‚vernünftige’ Urteile aufstellen … zu einem Kanon durchschnittlicher Wahrheit, Richtigkeit und Vernünftigkeit zusammengehäuft …, der sofort, wo immer ein bewusstes und ein kompetentes Urteil fehlt, mit der Meinung aushilft … Bei intellektuellen Frauen veranlasst der Animus ein intellektuell und kritisch sein sollendes Argumentieren und Räsonnieren, das aber im Wesentlichen darin besteht, einen nebensächlichen und schwachen Punkt zu einer sinnwidrigen Hauptsache zu machen. Oder eine an sich klare Diskussion wird aufs Heilloseste verwickelt durch das Hereinbringen eines ganz anderen, womöglich schiefen Gesichtspunktes. Ohne es zu wissen, zielen solche Frauen bloß daraufhin, den Mann zu verärgern, womit sie dann dem Animus um so völliger verfallen.”

`Leider habe ich immer Recht´, gestand mir eine solche Frau.“ Aber „Recht haben macht einsam“.

6. Das Umfeld, der Betrachter. “Was denkst DU dazu?” Ich freue mich auf Dein Feedback unter Thomas@Fuegner.de

7. Synthese: Integration der Anima UND Stärkung des Männlichen – Focus auf den “Guten Mann”.

Die Entdeckung der Weiblichkeit in uns Männern hat bei vielen Männern dazu geführt, dass sie genau diesen Aspekt betonen und den männlichen Aspekt nicht nur vernachlässigen, sondern viele ihn auch verachten- Schlagwörter von toxischer Männlichkeit oder pathologischer Männlichkeit machen die Runde, für viele sind die alten weißen Männer in ihrer toxischen Männlichkeit Ursache allen Übels der Welt schlechthin. In der Konsequenz haben die Männer in den letzten Jahren massiv an Testosteron verloren. Je nach Kulturkreis liegt der Verlust bei bis zu 50 % in den jeweiligen Alterskohorten!
Natürlich kann das auch ein Umweltbedingungen, wie ihrer Ernährung liegen.
Wenn Mann sich intensiv mit dem gegen -geschlechtlichen Anteil, mit seiner Anima beschäftigt hat, ist es jetzt an der Zeit, sich auf seine Essenz von Männlichkeit zu fokussieren: Um als Mann weiser, im Sinne von vollständiger zu sein, halte ich es auch für richtig und sinnvoll, meine „weibliche Seite“, mein Jin kennen zu lernen, es zu akzeptieren und damit zu „tanzen“.

Der alte Indianer und sein Enkel.

Die beiden saßen am Fluss und der Alte erzählte: weißt du, in mir wohnen zwei Wölfe. Der eine, wild, grausam unbeherrscht und wirklich gewaltig. Und der andere sanft, leise und verständnisvoll. Und die beiden kämpfen miteinander.
Der kleine Enkel war ganz aufgeregt von dem Bild und fragte: und wer gewinnt? Und der Alte antwortete: na, der, den ich füttere.

So ähnlich verhält es sich auch mit deiner Männlichkeit: nährst du bewusst das Jang, den männlichen Teil in dir, wird er wachsen. Fütterst du deine weiblichen Anteile, nährst du sie mit Wohlwollen und guten Gedanken, werden sie wachsen.

Möglicherweise hast du in den letzten Jahren, ohne es zu merken, mehr in Dein Ying investiert, als es für deine persönliche Entwicklung gut ist.

Und wichtiger ist es mir, zur Vervollkommnung meiner Männlichkeit, eben den Männlichen Teil in mir, das Yang zu stärken.

Pflegst du deine Männlichkeit (ohne deinen weiblichen Anteile zu missachten oder gar zu verachten!), dann werden sie in dir wachsen – und das weibliche in gleichem Anteil. „Friss Eisen“ – baue Deine Männlichkeit auf, stärke die maskulinen Anteile in dir:

  1. achte, würdige deinen Vater und deine männlichen Ahnen. Platziere ihre Fotos im passenden Bagua deiner Wohnung. Sprich respektvoll über und mit deinem Vater über seine Kindheit, seinen Vater, und was das wichtigste war, dass er dir mitgeben wollte.
  2. sammle die männlichen Freunde, die erfolgreich sind in Beruf und Familie und dich achten – so wie du sie achtest. Sprich mit Ihnen, achte auf ihre männliche Energie, schau Ihnen in die Augen und pflege den männlichen Austausch.
  3. übe dich in innerer Sammlung in der Stille: schweigen, digital detox, Meditation, Stunden für dich alleine, praktiziere so Selbstfindung. Mach es zu deinem KOAN: „Was will ich wirklich?!“
  4. freunde dich an mit deinem Tod: sei dir deiner Endlichkeit bewusst, schreibe dein Testament, frage dich täglich: wenn du morgen sterben müsstest – was müsstest du heute noch tun?

Das Bewusstsein bestimmt das Sein.

Mit dieser radikalen Umkehr des sozialistischen Credo, sehe ich meine Möglichkeit der Individuation, die höchste Form der Persönlichkeitsentwicklung.

Lies MEHR über die Entfaltung Deiner „Männlichen Identität“!